Kein komplett knapper Kampf beim Kantersieg

16 weiße Bauern bilden eine Acht auf einem Schachbrett nach

4 Mannschaftskämpfe, viermal 5:3 in knappen Kämpfen. So sah die bisherige Bilanz der ersten Mannschaft in der Oberliga aus. Das stimmt vom Ergebnis her (was die Mannschaftspunkte angeht), aber was unseren Erwartungswert angeht, bedeutete es auch zu viel Herzklopfen. Dieses mal blieb der Stress weitestgehend aus und wir landeten einen Kantersieg gegen den SV Hellern - 8:0 ist für uns ein Novum. Das war in Anbetracht des Verlaufes zwar eindeutig zu hoch, aber der Reihe nach.

Ein Mannschaftskampf beginnt auch immer bei der Aufstellung. Die Gäste waren arg krankheitsgebeutelt und konnten deshalb nur sieben Spieler nach Hannover bringen. Wir hingegen hatten mehr Glück und hatten am Spieltag doch noch den achten Mann am Brett, was im Vorhinein (bis kurz vor dem Wochenende) eine längere Zeit nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Daraus resultierte ein kampfloser Punkt an Brett 8 für Sreyas und eine frühe Führung. Ebenfalls bedeutete dies allerdings auch eine Aufstellung der Gegner, bei der die nominellen Bretter 1, 2, 3 und 6 nicht dabei waren. Die Ratingvorteile lagen damit bei über 250 Elo pro Brett.

Ein Mannschaftskampf beginnt aber auch immer mit der Ankunft am Spielort. Diese wurde für Autofahrer erschwert durch den zeitgleich stattfindenden Hannover-Marathon, welcher zum einen die Zufahrtswege einschränkte und zum anderen die Parkplatzsuche zu einem größeren Problem als an normalen Tagen machte. Das führte zu einem späteren oder wenigstens knapperen Eintreffen einiger Spieler. Das sollte nicht überraschen, denn auch wenn diese Information im vorhinein bekannt gegeben worden war, merke ich auch schon an mir, dass dies nicht gleichbedeutend mit einer vollständig geeigneten Anpassung der Anfahrt einhergehen muss. Diesen äußeren Umständen geschuldet wurde mit dem schon eingetroffenen ersten Rutsch der Hellerner Spieler (die das Parkproblem durch das Aufsuchen eines Parkhauses umgangen hatten) und dem Schiedsrichter eine Verschiebung des Rundenstarts auf 11:15 Uhr beschlossen.

Leider kann an dieser Stelle noch nicht der schachliche Teil des Berichtes begonnen werden, denn um 11:15 begann die Runde mit 14 anwesenden Spielern, was auch abzüglich des bereits erwähnten freigelassenen achten Bretts nicht aufgeht. Was war los?
An Brett 6 hatte auch Frank noch keinen Gegner. Die Uhren tickten und es kam der Zeitpunkt, wo die Karenzzeit von 30 Minuten vorbei war. Der Schiedsrichter waltete seines Amtes und erklärte die Partie für Frank für kampflos gewonnen. Das sorgte bei manchen Spielern auf Seiten der Hellerner für Empörung, denn wie sich herausstellte befand sich Schachfreund Ernst noch auf Parkplatzsuche/dem Fußweg zum Lister Turm, nachdem er den anderen Teil der Hellerner Mannschaft herausgelassen hatte.
Abseits der daraus zwischenzeitlich gestörten Turnierruhe habe ich nicht alles direkt persönlich verfolgen können, aber auf dem Gang habe ich live mitbekommen, wie Ilja dem Schiedsrichter vorschlug, die Partie doch einfach trotzdem zu spielen (sofern Frank und unser Mannschaftsführer zustimmen würden), was dieser auch absegnete. Als Franks Gegner eintraf, wurde die Partie gespielt, da Frank sowohl noch vor Ort, als auch spielbereit war.

Jetzt soll es aber endgültig genug der unschöneren Vorrede sein, kommen wir zum Schach!

Brett 1, Ilja:

Ilja variierte in der Eröffnung, wurde aber direkt per Bauernopfer angesprungen. Die Ausführung davon war eher ungewöhnlich und vermutlich auch nicht zur Wiederholung geeignet, hatte aber den Effekt Ilja out-of-book zu kriegen. Die Reaktion fiel dann nicht so gut aus, aber wie so oft bei Materialopfern: ein kurzer Moment, in dem nicht nachgesetzt wird, kann schon bedeuten, dass die Initiative und der Entwicklungsvorsprung wieder abhanden kommen. Der Hellerner ging an seiner Chance auf Vorteil vorbei und kurz darauf war neben dem Bauern auch die Kompensation zu guten Teilen weg. In der Folge strebte Ilja eine recht konkrete Zugfolge an, die auf einer Taktik beruhte:
 

Kritischer Moment der Partie von Ilja
Geplant war hier 15...Sxh7 16.Txh7 e4! mit Qualitätsgewinn (was zu gewisser weißer Kompensation führt), gespielt wurde 15...Txh7 16.Txh7 exd4 mit Rückgewinn des Mehrbauern


Hier überkamen ihn allerdings Zweifel und anstelle des geplanten Qualitätsgewinn behielt er nur den Mehrbauern. Das hätte nicht mehr zum Sieg reichen sollen, aber die schon sehr akute Zeitnot sorgte dafür, dass Weiß in eine Falle lief und statt des erwarteten Rückgewinns des Bauern stand entscheidender Materialverlust zu Buche.

Brett 2, Dennes:

Die Eröffnung von Dennes brachte ihm keinen Vorteil ein, stattdessen wirkte es mehr nach einer schwarzen Initiative aus. Zweimal griff Dennes fehl, aber beide Male ging sein Gegner an Vorteil vorbei und so entstand ein auf den ersten Blick sehr remisliches Dame-Leichtfiguren-Endspiel. Ein Remisangebot schlug Dennes aber aus und wirkte seine Endspielmagie (sicherlich auch begünstigt von dem Zeitnotspiel des Helleners), um nach der Zeitkontrolle mit einer Gewinnstellung dazustehen. Anstelle das Matt zu finden, fand Dennes nur den Damengewinn, aber das reichte ebenfalls zur sofortigen Aufgabe aus.

Brett 3, Stefan:

Stefan bleibt seinem Prinzip treu: spiele eine möglichst langweilige Eröffnung und dann setze das Brett in Flammen. Während der Ausgleich schnell kam, blieb die Frage nach mehr zuerst offen. Dann verkomplizierte Stefan die Stellung, was dem Rechner mit seinem berühmten 0.00 nur ein müdes Lächeln abringt. Aus menschlicher Sicht ist da allerdings nichts klar:
 

Die Stellung ist unübersichtlich
Hier schlug Weiß mittels 27.Tdxd3 zu und räumte die Läuferdiagonale. Nach 27...exd3 28.Sf5! muss Schwarz aufpassen.


Hier entschied sich der Hellerner für ein mutiges Qualitätsopfer, was zu gefährlichem Angriff führte. Stefan blieb ruhig und fand alle Züge, aber mehr als ein Remis hätte es nicht werden sollen. Doch bei knapper Zeit verlor der Weiße den Faden und stand dann ohne Material und ohne Angriff da.

Brett 4, Felix:

Die Eröffnung meines Gegners kann man zumindest mal als anrüchig bezeichnen. Das muss aber für eine praktische Partie noch nichts bedeuten, doch dann trieb es der Schwarze mit dem kreativen Spiel zu weit. Zuerst unterband ich konsequent die schwarze Befreiungsidee und trieb dann den Nachziehenden weit in die eigene Hälfte. Manchmal sagt ein Diagramm aber auch mehr als tausend Worte:
 

Schwarz steht auf drei Reihen zusammen gedrängt
Alle Figuren auf nur zwei Reihen kann nicht gut gehen


Die Leiden des gedrückten Hellerners wurden dann abgekürzt, als mein Gegner eine Taktik übersah, so dass zu der überlegenen Stellung auch noch Materialvorteil kam.

Brett 5, Tobias:

Französisch Abtausch ist zwar als langweilig verschrien, allerdings sollte man das auch nicht überschätzen. Die Symmetrie wurde schnell durchbrochen, wenn auch nicht der Ausgleich (zumindest nach einigem hin und her). Gefühlt müsste der dabei entstandene Raumvorteil des Schwarzen zu mehr führen, doch die optische Überlegenheit von Tobias vermochte sich lange Zeit nicht wirklich zu echtem Vorteil manifestieren. Am Ende wurde die Partie abrupt beendet durch einen einzigen Patzer, der aus Ausgleich eine sofortige Aufgabe machte.

Brett 6, Frank:

Sollte man meinen der Zeitnachteil aufgrund der verspäteten Ankunft würde sich negativ auswirken, so sieht man sich getäuscht. Eher im Gegenteil: eingelullt durch eine erwartete Notwendigkeit zu schnellerem Spiel lief Frank direkt in eine sehr kritische Variante mit Bauernopfer. Das erforderte schon genaues Spiel, doch Frank wurde zu spät bewusst, dass es sich dabei keineswegs um ein Missgeschick gehandelt hatte und reagierte inadäquat. Schnell war dann schon alles ganz übel mit einem König, der nicht mehr richtig aus dem Zentrum entkommen konnte. Zwischenzeitlich ließ der Hellerner einmal das energischste Spiel vermissen (was aber zugegebenermaßen auch zu zwischenzeitlich 4(!) Minusbauern und unmenschlichem Spiel geführt hätte), doch vom Haken ließ er Frank nie. So zeigte sich wieder, dass Verteidigen schwieriger als Angreifen ist und bald fehlte nur noch ein Zug zum endgültigen Auseinanderschrauben der dürftigen weißen Verteidigung:
 

Schwarz kann die weißen Figuren überlasten
Hier konnte mittels 21...Sxd5 die weiße Verteidigung ausgehebelt werden


Zu Franks Glück ging sein Gegner nicht nur an der Chance vorbei, sondern vergab im gleichen Zug fast allen Vorteil. In der Folge konnte sich Frank weitestgehend konsolidieren und mit dem übrig gebliebenen Mehrbauern musste Schwarz schon aufpassen nicht die verbleibende Kompensation zu verlieren. In beiderseitiger Zeitnot verpasste Frank ein paar Chancen zum Sieg, doch nach der Zeitkontrolle war dank eines taktischen Klimmzugs, den Frank dann auch fand, wieder zum Gewinn ausreichender Vorteil verblieben.

Brett 7, Moritz:

Die Eröffnung versprach von vorneherein einen spannenden Kampf. Dann tat Moritz sein übriges, um die Partie auch zu einem aufregendem Zeitnotduell zu machen: 53 Minuten investierte er zwischenzeitlich für einen Zug. Vorteil konnte er in der Folge trotzdem nicht bekommen, aber die Lage spitzte sich zu:
 

Weiß hat eine interessante Idee
In der Stellung kann Weiß ein interessantes und starkes Qualitätsopfer spielen: 23.Sh6+ gefolgt von 24.Txf6, wonach Schwarz sich schon genau verteidigen muss, um nicht in Nachteil zu geraten


Hier verpasste der Weiß die Chance und der Trend wandte sich gegen ihn. Die Stellung verschlechterte sich rapide und Material ging verloren. Da kam allerdings die vorher investierte Zeit zurück und führte dazu, dass Moritz statt einer ungefährdeten Abwicklung (dier er nicht korrekt berechnet hatte) einen riskanteren Figurengewinn wählte. Zwar war erstmal nichts in Sicht, aber in Zeitnot ist die Verteidigung immer schwierig und der Hellerner erwies sich gut im Stellen von Problemen. Als es dann ans Ausnutzen ging, verpasste dieser jedoch den Weg zum Ausgleich. Mit geschaffter Zeitkontrolle war die Figur immer noch weg und Moritz verwertete seine Mehrfigur souverän.


Am Ende steht damit ein 8:0 und die weiterhin klare Tabellenführung. Die Mission Aufstieg sollte kaum noch zu verfehlen sein, aber wie die ersten Spieltage gezeigt haben (und auch Teile dieses Matches), gilt es immer aufmerksam zu bleiben und nichts für garantiert zu nehmen. Die Saison neigt sich dem Ende zu oder anders gesagt: die nächsten Spieltage werden beginnend mit dem 1. Mai häufiger stattfinden. Laut Spielplan handelt es sich dann um Runde 9 gegen Hameln, wo wir hoffentlich nicht zurück in die Art der früheren knappen Mannschaftskämpfe verfallen.

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